Neue Friesen braucht der Strand – Kapitel 2

Neue Friesen braucht der Strand – Kapitel 2

Hisko Poppen und die Krummhörn

Um 1400 herum trieb sich einer meiner Vorfahren – Ich nenne ihn zwecks Datenschutzes Hisko Poppen – wie so ziemlich alle meine Vorfahren Väterlicherseits in der ostfriesischen Krummhörn herum. Eine andere Krummhörn ist mir allerdings auch nicht bekannt. Hisko hatte aus chronisch gut unterrichteten Kreisen munkeln gehört, dass auf der gegenüberliegenden Insel Borkum in nächster Zeit mit viel Geld durch leichtgläubiges Volk aus dem Rheinland zu rechnen sei. Der Plan war gereift, sich an diesem Geldrausch zu beteiligen und nach Borkum umzusiedeln.

Hisko war im Gegensatz zu späteren Generationen noch katholisch erzogen und nutzte den päpstlichen Schadensfreiheitsrabatt – Beichte und Ablass – wahrscheinlich ausgiebig. Man liebt, lebt, man feiert, man beichtet und beginnt von vorne. Der Katholizismus war halt damals schon ausgereift. Wer sich an die Ablassregeln hielt, kam mit Chance ins Paradies, wer nicht ins Bild passte wurde halt verbrannt, aufgehängt oder ähnliches. Eine Tradition, die übrigens später von den Protestanten mit Feuereifer übernommen wurde. Andere Religionsstifter legten zum Paradies sogar noch diverse Jungfrauen oben drauf, sofern man sich dramaturgisch hochwertig in Schall und Rauch auflöste. Diese Version hatte allerdings in Ostfriesland keine Anhänger, da die Damen mit den Delinquenten in deren zu erwartendem Zustand auch nicht mehr viel hätten anfangen können.

Man darf aber nun nicht annehmen, dass wir Friesen unsere „Friesische Freiheit“ aufgrund unserer christlichen Nächstenliebe und Friedfertigkeit erhalten haben, vielmehr nutzten wir diese Freiheit vom feudalen Lehenswesen und Kriegsdienst für Nachbarschaftliche Scharmützel. Unter der Leitung unseres mehr oder weniger frei gewählten Führungspersonals (Häuptlinge) waren wir eigentlich ständig in irgendwelche Feden verwickelt, die unsere Politprofis zwecks Raum- und Machtgewinnes angezettelt hatten. Da die Machtbalance eigentlich meist ausgeglichen war, heuerte unser Management zusätzliches Saisonpersonal an. Diese Liekedeeler bekamen sichere Liegeplätze für ihre Schiffe gestellt. Im Gegenzug versorgten sie vor allem die ostfriesische Küste preiswert mit gefragten Handelsgütern, je nachdem, was sie vorbeiziehenden Handelsschiffern gerade als „Maut“ abschwatzen konnten. Dummerweise gehörten die erleichterten Schiffer in der Regel einem mafiösen Geheimbund an, der Hanse.

Der gute Hisko könnte von der Krummhörner Küste aus den humorlosen Umgang der Hanse mit den Liekedeelern in der Osterems beobachtet haben. Es war der 22. April 1400 und eigentlich ein schöner, warmer Frühlingstag. Die armen Seeleute unter Gödeke Michels wehrten sich tapfer, doch wer nicht vor Ort bereits in den Tod befördert wurde, endete in Hamburg auf dem Grasbook. Hisko beschloss daraufhin, lieber an Land zu bleiben und die Überfahrt nach Borkum auf ruhigere Zeiten zu verschieben.

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