Neue Friesen braucht der Strand – Kapitel 7

Neue Friesen braucht der Strand – Kapitel 7

Okka und das „Team Mansfeld“

Der dreißigjährige Krieg hat auch Ostfriesland nicht verschont. Raub, Brandschatzung, Mord und Vergewaltigungen zogen zwar zunächst eine Schneise der Verwüstung durch Mittel-, Süd- und Ostdeutschland. Die norddeutsche Tiefebene war als Aufmarschgebiet vorerst uninteressant. Genau genommen handelte es sich bei  diesem Genozid an Bevölkerung und Wirtschaft auch eher um mehrere kleine Kriege, die nahtlos ineinander übergingen. In den selteneren Fällen ging es dabei um religiöse Fragen denn um hegemoniale Machtansprüche der herrschenden Aristokratie, seien es Habsburger, Capets, Wasa und wer auch immer. Die politische Landkarte Europas wurde halt neu gezeichnet, Spanien verlor seine Vormachtstellung vor allem an Frankreich. England stampfte sein Empire aus der Erde. Die Niederlande entstanden – auf Kosten der spanischen Besitzungen. Der schwedische König Gustav Adolf versuchte sich in Mitteleuropa zu etablieren, lief jedoch im Zenith seiner Macht in eine Musketenkugel und verstarb kurzfristig. Wallenstein wollte im großen Stil verdienen und kämpfte mit seinen Mannen für die meistbietenden Machthaber, bis seine unzufriedenen Pappenheimer ihn „outsourceten“. Das ganze kostet natürlich Geld und Menschen. Beides wurde – uralte Tradition – bei der arbeitenden Zivilbevölkerung requiriert. Jeder Betriebswirtschaftler des ersten Semesters wird bestätigen, dass Investitionen getätigt werden, um ab einem bestimmten Punkt, dem sogenannten „break even“,  Gewinn abzuwerfen. Tun sie das nicht, sind sie unrentabel, bekommt man sie nicht einmal zurück, nennt man das Totalverlust. Die Autokraten erwiesen sich als stümpernde Investoren, Bevölkerung und Wirtschaft als bedauernswerte Investitionsgüter.

Im Herbst des Jahres 1632 trafen schließlich auch die marodierenden Truppen des Grafen von Mansfeld zwecks Einrichtung ihres Winterbiwaks in Ostfriesland ein. Von Mansfeld ging natürlich wie alle anderen mobilen warlords davon aus, das (besetzte) Land wäre für die Verköstigung und die Unterbringung seiner Reisegruppe zuständig. Die betroffene Bevölkerung erwies sich da – vollkommen unerwartet – als anderer Ansicht. Okka war zu diesem Zeitpunkt bereits eine gestandene Frau mit einer matriachalisch straff durchorganisierten Familie. Ihr Wahlspruch war: Ein Mann tut, was ein Mann tun muss – Frau muss ihm nur noch sagen, was das ist. Okka hatte die altehrwürdige Familienschänke von ihrer Mutter geerbt und einen kleinen Restaurantbereich angegliedert. Angeboten und von Mansfeld und seinem Team serviert wurde hier gute und traditionelle ostfriesische Kost. An erster Stelle natürlich Mama Folkeldis´ Erbsensuppe (Folge 6) mit Pfötchen, Öhrchen und Schweineschnäuzchen. Aber auch der Grünkohl mit Pinkel, Bauchfleisch, Rindertalg und Graupen wurde gerne verzehrt. Kleine Portionen dürften dabei 3000 Kalorien, große 4000 Kalorien kaum unterschritten haben und waren für die Landsknechte nur mit Hilfe größerer Mengen des beliebten hausgebrannten „Lebenswassers“   zu verkraften. Okka pflegte gute Beziehungen in das schwarzbrennende Umland und alle Zutaten waren „Produkte der Region“ aus nachhaltiger Landwirtschaft – ökologisch einwandfrei und erschwinglich. Die Landsknechte nahmen sichtbar zu und bekamen neben Herzverfettung auch Leberprobleme. Die Operation „Winterlager“ wurde von den Mansfeldern nicht wiederholt. Okka hatte damit die sich selbst finanzierende Widerstandszelle erfunden, die Urmutter der Resistance. Die Geschichtsschreibung hat ihr die Ehrung als Freiheitskämpferin bis heute versagt – es sei hiermit nachgeholt.

Das schwarze Loch im Wattenmeer

Wo war eigentlich Okkas Bruder Ommo geblieben? Ommo versuchte sich am Lebenstraum seiner Mutter Folkeldis und segelte nach Borkum – dachte er jedenfalls. Sein ausgesprochen schwach ausgeprägter Orientierungssinn sowie die Unfähigkeit einen Kompass sinnvoll zu nutzen ließen Ommo weit vom Kurs abkommen. Eigentlich hat er den Kurs nicht einmal ansatzweise getroffen. Er landete den Erzählungen fragwürdiger Seeleute nach an den Gestaden einer Sagenumwobenen Insel, deren Existenz bis heute zweifelhaft erscheint und zumeist als Spökenkiekerei abgetan wird. Nein, nicht Atlantis – ich spreche von Norder neyer Oog. Okka erklärte ihren Bruder nach angemessener Wartezeit für verschollen und vermietete nach einer Woche sein Zimmer. Ommos Spur verläuft sich im unerforschten Niemandsland zwischen Juist und Baltrum. Um nicht mehr mit Ommos Navigationskenntnissen geärgert zu werden nahm Okka den Familiennahmen ihres Mannes an und nannte den Restaurationsbetrieb fortan „zum richtigen Kurs“.

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