Gott segne unseren Strand – Borkum und das Strandrecht

Gott segne unseren Strand – Borkum und das Strandrecht

Gott schütze unseren Strand. Mit diesen Worten endete die Predigt eines jeden Pastors in der Kirche. Man lebte von dem, was die Strände an Treibgut hergaben. Es herrschte das Strandrecht. Nachfolgend findet Ihr die Ordonanz aus dem Jahre 1682.  Hier wird die Bergung des Strandgutes,  die Kaninchenjagd, der Deichbau und die Durchführung des Lotsendienstes vor der Insel geregelt.

Bei genauerer Betrachtung der Ordonanzrolle stellen wir fest, der Inselvogt hatte die oberste Polizeigewalt auf der Insel und sollte die Insulaner zur Bergung des Strandgutes anhalten. Was nicht notwendig war, nur die Ehrlichkeit und Überwachung musste sichergestellt werden. Frei nach dem Motto: Wer es findet darf es behalten.

Borkumer Ordonanzrolle von 1682

  1. Daß der Vogt auf Borkum die Gemeinde und Einenjeden zur Observanz dieser Rolle fleißiger mahnen und ernstlich anhalten soll, auch selbst, soviel ihn und die Seinigen betrifft, darwider weder directe, noch indirecte nichts vornehmen, noch handeln, in specii auf Konservanz der Dünen, Deiche, Bolgen, oder Anfahrgüter Achtung haben, die muthwilligen Verbrecher zur Bestrafung an hiesiges Amtsgericht ohne Conevenz angeben, zur Rettung der Schiffbrüchigen Leute und Güter die Unterthanen zeitig und mit Ernst antreiben, auch selbst, so wie möglich alles beaufsichtigen, die gestrandeten und geborgenen Güter genau ausfahren lassen und in gute Verwahrung nehmen soll.
  2. Soll der Vogt nicht vor sich selbst oder allein, sondern mit Zuziehung und in Gegenwart des Pastors und zweien oder dreier Einwohner die gestrandeten Kysten und Fässer eröffnen lassen und die verschlossenen Güter specifisch designiren, auch über die geborgenen Güter aller Gewohnheit nach schriftliches Inventarium oder Verzeichniß aufmachen, und an uns, Ihrer hochfürstlichen Durchlaucht Beamte anhero unverzüglich einsenden, auch wenn nasse Waaren, als Wein, Brantwein usw. in Fässern enthalten und die während der Ausfahrung leck geworden sind, selbige Fässer in gemeldeter Leute Gegenwart gegeben und also verzeichnen, damit die Kaufleute sich desto weniger zu beschweren haben mögen.
  3. Es soll der Vogt die Kaninchenjagt bestmöglichst conserviren und zu dem Ende ohne einen special Befehl vor St. Jakobi und nach Lichtmeß alter Gewohnheit nach der Kaninchenfang nicht stattfinden, damit die Vermehrung der Kaninchen nicht verhindert werde, mit den Fritten nicht jagen, auch soll der Vogt wenn er, oder auf seinen Befehl diejenigen jagen, den Auskündiger allemal dabei gebrauchen, demselbigen alter Gewohnheit nach für seine Arbeit nach Verhältniß des Fanges bezahlen, oder zwei Keppel Kaninchen geben. Uebrigens soll auch der Auskündiger in herrschaftlichen Geschäften und zu des Eylandes Besten des Vogtes Befehlen gehorchen und fleißig nachkommen. Alles bei fürstlicher, höchster Ungnade und arbiträrer Strafe.
  4. Die ganze Gemeinde auf Borkum und ein jeder Einwohner soll Namens und von wegen Ihrer hochfürstlichen Durchlaucht auch als hoher Landesobrigkeit dem Vogt in allen vorfallenden billigen Dingen bei Strafen, jeglicher 10 Gutegroschen mit gebührendem Respekt gehorsamst Folge leisten, auch sollen die Gemeindemitglieder ihres Pastors und Seelsorgers christlicher Ermahnung und Strafe mit geziemender Referenz und Liebe sich untergeben. Sie sollen des unnötigen Strandlaufens, wie auch die Kaninchen heimlich zu fangen und nachzustellen gänzlich sich enthalten, bei Strafe von 10 Gutegroschen für jeden, der darauf betreten wird und Vermeidung hoher arbiträrer Strafe. Imgleichen sollen die Einwohner mit allem Fleiß Menschen und Güter auf bestmöglichste Weise retten, versegelte und unkundige Schiffe einlootsen und sich bei Bedingung des Lootsenlohnes bescheidentlich betragen. In specii soll die Gemeinde und ein Jeder, Vogt, Pastor und Auskündiger, keiner ausgenommen, alter Gewohnheit nach aus jedem Hause eine Person, zur Zeit die Deichrichter die Deiche zu machen anordnen, selbige willfahrig reparieren unter Strafe des Ausbleibens jedesmal 1 Gutegroschen. Diese Geldstrafe soll der Gemeindekasse anheim fallen. Sie sollen, was zur Conservierung der Dünen mit Flacken setzen und Helm pflanzen, ihnen anbefohlen wird, altem Herkommen gemäß verrichten, des Helmenmähens oder specielle Erlaubnis sich enthalten, in Grabungen des Sandes und Stechung der Soden nach Anweisung des Vogtes solches Maß halten, daß daraus dem Lande kein Nachtheil geschieht, alles bei Vermeidung fürstlicher Ungnade und arbiträrer Strafe.
  5. Wegendessen, was von gestrandeten Gütern, imgleichen bedungenen Lootsengeld nach Recht oder alter Gewohnheit den Eylandern an Bergegeld oder sonsten competirt, damit soll es eines Jeden Antheil anbelangend, folgender Gestalt alter Gewohnheit nach, gleichwie der Eylander deputierte, solches im Gericht eidlich bestärket, zwischen dem Vogt und der Gemeinde und unter der Gemeinde gehalten werden.
  6. was auf den Riffen und außerhalb der Riffe geborgen wird, davon hat der Schiffer, welcher mit seinem Schiffe das Gut berget, für sein Schiff zwei Parten und für seine Person ein Part, mithin zusammen drei Parten. Ist nun jemand mit auf dem Schiff, der mit Bergen hilft, der hat für seine Person ein Part. Was aber binnen den Riffen, das ist auf der Ems und auf den Watten-Randsel geborgen wird, davon hat das bergende Schiff einen Theil und der Schiffer, dem das Schiff zugehört noch einen Theil für seine Person, auch alle diejenigen, die mit Bergen helfen und keine Jungens sind, sondern Häusväter, einen Theil. Die aber zu Hause bleiben, haben hiervon keinen Part, ausgenommen der Vogt, Pastor und die Witwen. Uebrigens ist zu bemerken, wenn der Vogt mit seinem Wagen die geborgenen Güter zu Hause fahren muß, als dann hat er 4 Theile, wenn aber der Vogt nicht mit dem Wagen fährt, alsdann hat er nur 3 Theile. Jeder Altbauer hat, wenn er mit seinem Wagen auffahren hilft, zwei Parten, sonst nur einen Part.
    Was an dem Flußstrande antreibt, das ist, was nicht mit Schiffen geborgen wird, sondern von selbst an den Strand kommt, nämlich von Kaufmannsgütern, davon hat der Vogt vier=drei Theile und der Pastor zwei Theile und ein jeder Hausvater oder Hausmutter, er sei ein Altbauer oder Neubauer, imgleichen eine unvermögende Witwe, die durch einen Knecht auffahren hilft, hat einen Theil, wer aber nicht mitarbeitet, oder nicht mit auffahren hilft, der hat auch keinen Theil, welches jedoch so zu verstehen ist: wenn der Hausvater einen oder mehr große Söhne hat, die ihm arbeiten helfen, so hat er doch nicht mehr als einen Theil.
  7. Das Lootsen findet Anwendung, wenn ein Schiff unkundig ist und noch in freier Fahrt auf dem Strom ist, eine Sjaue fiegen läßt, oder ein Stück Geschütz löset und also damit einen Lootsen fordert, der es an seinen Bestimmungsort bringen soll. Alle diejenigen, die sich gereade an dem Strand befinden und den Sjaue ansichtig werden, thun sich beisammen und vereinbaren sich darüber, wer von ihnen mitfahren soll. Wer es für den geringsten Preis thun will, der fährt hin. Das über den accordierten Preis gedungene Lootsengeld kommt der ganzen Compagnie zu Gute, die den Accord geschlossen, welches so zu verstehen, dessen Sohn oder Söhne bei der Abschließung des Accords zugegen waren, demnach nicht mehr, als seinen einen Part fordern kann. Wenn der Vogt und Pastor nicht mit zugegen sind, haben sie auch keinen Theil am Lootsengelde, nämlich wenn es ihnen angesagt ist und sie nicht mitfahren wollen. Ist es ihnen aber nicht angesagt und die Eyländer das Schiff vom dem Thurm sehen, so haben sie ihren Anteil an dem Lootsengeld. Obiges ist nun von solchen Fällen zu verstehen, wenn eine Person auf das fremde Schiff übergeht und selbiges lootset, das ist, an den Bestimmungsort bringt. Wenn aber mit ganzen Schiffen gelootset werden muß, das heißt, wenn das Lootsenschiff mitfahren muß, um den Sjomver zu helfen, so muß durch das Loos entschieden werden, welchews der Schiffe fahren soll, imgleichen, welche Personen fahren müssen. Das lootsende Schiff soll haben zwei Parten für das Schiff und ein Part für den Schiffer, mithin zusammen drei Parten, es sei auf den Riffen oder der Randsel, das ist binnen Juist oder Borkum. Wenn aber das spauende Schiff befunden wird, nicht mehr in freier Fahrt auf dem Strom begriffen zu sein, sondern irgendwo festsitzen und leck zu sein, welches der Vogt alsdann untersuchen muß, ob mämlich das Schiff in die Hände der hohen Landesobrigkeit verfallen sei, oder nicht, so kann von Lootsgeld nicht die Rede sein, sondern das Bergrecht und Berggeld tritt ein und findet statt und muß es mit den Parten gehalten werden wie hab. Nr. 6 angedeutet worden, hinsichtlich der Güter, die außerhalb oder innerhalb der Riffe geborgen werden.
  8. Wracke sind lecke, verlassene leere und festsitzende Schiffe, die nicht abgebracht werden können, imgleichen gestrandete Stücke von Schiffen, worunter auch gerechnet werden angespülte Masten, Raen, Stangen, Steuerruder, Schwerter, Schalupen und Boote, Lastbalken und Höftplanken oder Höftpfähle, mit einem Wort alles Rundholz und was dazu gerechnet wird, weil dies alles alter Gewohnheit nach, wie auch die Borkumer Abgefertigten mit leiblichem Eide betheuert haben, von jeher der Gemeinde auf Borkum anheimgefallen ist und unter ihnen nach Proportion des Antheils eines jeden getheilet, oder auch zu gemeinem Gebrauch verwendet zu werden pflegte. Man läßt jedoch, sowohl hinsichtlich uns, Ihrer hochfürstl. Durchlaucht bestallten Drostes und Amtmanns in diesen und vorigen Punkten bei dem uns alter Gewohnheit nach competirenden Antheil, als auch hinsichtlich des Vogtes bei demselbigen gleichfalls dem alten Herkommen nach zuzulegenden und gebührenden 4 (vier) Parten künftig auch bewenden, wie es den solcher Gestalt hierfür unverbrüchlich und unweigerlich soll gehalten werden, bei Vermeidung arbiträrer Strafe und fürstlicher Ungnade.
  9. Schließlich wird hiermit verordnet, daß zur Nachricht und besseren Observanz, diese Rolle – von der zwei gleichlautende Abschriften verfertigt worden sind, von welchem eine dem Vogt, die andere aber der Gemeinde auf Borkum zugestell worden ist – alle Jahre, auf dem ersten Sonntag nach Martini von dem Pastor öffentlich von der Kanzel publiziert und öffentlich vorgelesen werden soll.

Urkundlich haben, auf specialen fürstl. gnädigen Befehl und in deren Namen, wir dero jetziger bestallter Drost und Amtmann des Hauses und Amtes Greetsyhl, diese Rolle und Ordonnanz, jedoch unter ausdrücklichem Vorbehalt im gegebenen Falle zu jeder Zeit und auf alle Weise, nach Befinden und Beschaffenheit der Umstände, dieselbe zu vermehren, zu vermindern, abzuändern, zu verbessern, auch sonst aller hochfürstlicher Hoheiten und Gerechtigkeiten, und jedermänniglicher Recht impräpedirlich eigenhändich unterschrieben und mit Unterdrückung unserer Petschaften bekräftigt.

bekräftigt.

Signatum Greetsyhl den 14 ten November 1682.

Gez. U. Humme von Manderstawer.   Drost.

Geb.:  Freytag, Amtmann.

  1. m. p. p.